Zukunft gestalten

Ein Update für Nachhaltigkeitsbewertungen

von:
Durch zahlreiche ESG¹-Initiativen und Verordnungen verändert die europäische Kommission gerade in rasender Geschwindigkeit alles wirtschaftliche Handeln. Mehr Nachhaltigkeit wird im Rahmen der Klimaveränderungen für verschiedene Wirtschaftssektoren wie beispielsweise die Bauwirtschaft angestrebt und verpflichtend gefordert. Ein Nachhaltigkeitsreport zur unternehmerischer Ausrichtung wird mehr und mehr zum Pflichtprogramm. Bezogen auf Projektentwicklungen können für den Hochbau sowie für die Landschaftsarchitektur und den Landschaftsbau dabei Qualifizierungs- und Zertifizierungssysteme helfen, den ESG-Anforderungen gerecht zu werden. Sie bieten seit je her Qualitätsgarantien für die Nachhaltigkeit von Projekten.
Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau agieren in der Schnittstelle zwischen gebauter und natürlicher Umwelt. Foto: Wiltrud Lütge, Neue Landschaft

Der European Green Deal und die Auswirkungen des ESG-Reportings

Der übermäßige Ressourcenverbrauch und insbesondere die vermehrten Emissionsentwicklungen von Treibhausgasen beschleunigen deutlich den Klimawandel mit all seinen Ausprägungen. Nicht nachhaltiges Handeln wird in diesem Zusammenhang insbesondere in Klimaveränderungen und zunehmenden Extremwetterereignissen sichtbar.

Mit dem Aktionsprogramm "European Green Deal" der Europäischen Union von 2019 und ihrer neuen ESG-Gesetzgebung wird Nachhaltigkeit immer mehr vom Nice-to-have zu einem Must-have. Bis zum Jahre 2050 soll die EU als erster Wirtschaftsraum der Welt klimaneutral sein. Dafür plant der Investitionsplan "InvestEU" Mittelfreisetzungen mit einer unfassbaren Summe in Höhe von einer Billion Euro und mehr in den kommenden zehn Jahren².

Im Rahmen des Green Deals gilt seit dem Jahr 2021 die EU-Taxonomie-Verordnung mit Reporting Pflicht durch die CSRD³ und SFDR4 vorgegeben: seit 2022 für die ersten zwei Ziele und seit Januar 2023 für alle Umweltziele der Taxonomie. Die Taxonomie gibt zusammen mit ihren technischen Bewertungskriterien5 den inhaltlichen Rahmen für die CSRD-Richtlinie, ist Bestandteil des "Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum" und soll "Kapitalflüsse in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten lenken".

Sechs Umweltziele werden nachfolgend für die Berichtspflicht gemäß Taxonomie definiert:

(1) Klimaschutz,
(2) Anpassung an den Klimawandel,
(3) Schutz und nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen,
(4) Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft,
(5) Reduzierung und Vermeidung von Umweltverschmutzung,
(6) Wiederherstellung und Schutz von Biodiversität und Ökosystemen.

Die Taxonomie VO macht zum Reporting drei wesentliche Vorgaben: Zum Ersten müssen soziale Mindeststandards ("minimum safeguards") eingehalten werden.

Zum Zweiten muss die wirtschaftliche Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag ("significant contribution") für ein oder mehrere Umweltziele leisten.

Zum Dritten darf es dabei nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung ("do not significant harm") anderer Umweltziele kommen. Die zwei letztgenannten Forderungen werden dabei durch technische Bewertungskriterien unterstützt.

Diese Technischen Bewertungskriterien definieren Mindestanforderungen für verschiedene Branchen (u. a. Baugewerbe und Immobilien) die erfüllt sein müssen. Diese Standards können qualitativer oder quantitativer Natur sein. Zum Beispiel bei Gebäudeneubau unter anderem eine geforderte Lebenszyklus-Treibhauspotenzialanalyse6 ab einer bestimmten Größe oder eindeutige Schwellenwerte beim Primärenergieverbrauch für alle Gebäudeneubauten. Liefert dann eine wirtschaftliche Tätigkeit (z. B. die Errichtung eines Gebäudes) mindestens einen wesentlichen Beitrag zu den Umweltzielen und beeinträchtigt nicht die anderen Umweltziele, gilt sie als Nachhaltigkeit.

Zum Beispiel ein Beitrag ("significant contribution") zum Umweltziel 1 wäre der richtige Energiestandard und eine vorliegende CO2-Bilanzierung. Hier müsste dann noch im zweiten Schritt die Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen ("do not significant harm" Regel – DNSH) nachgewiesen werden, beispielsweise wie genau bezogen auf Vermeidung von Wasserressourcen oder Förderung Kreislaufwirtschaft eingegangen werden. Dazu gibt der Anhang der Bewertungskriterien zur Taxonomie Hinweise.

Es ergeben sich durch die Taxonomie VO beziehungsweise durch die CSRD- und SFDR-Richtlinien grundsätzlich Berichtspflichten für die Finanzindustrie, für kapitalmarkorientierte Unternehmen oder für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden. Der ESG-Bericht ist unabhängig vom Geschäftsbericht und muss die Auswirkungen gemäß der Taxonomie VO aufschlüsseln.

Ab 2026 sollen auch kleinere mittlere Unternehmen mit in die Pflicht genommen werden. Grundsätzlich müssen Angaben zu den Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der Nachhaltigkeit getätigt werden.

Diese Berichtspflicht hat bereits jetzt weitreichende Auswirkungen auf alle Wirtschaftsbereiche. Man denke beispielsweise an notwendige Nachweise bei großen Projektinvestments. Nun sind Nachhaltigkeits- oder Umweltberichte seit circa 20 Jahren bereits ein Teil eines jeden Geschäftsberichtes großer Unternehmen.

Neu ist aber nun durch die neue CSRD-Richtlinie und durch die Taxonomievorgaben ein allumfassendes Reporting durch die ESG-Vorgaben, ausgeweitet auch auf mehr Unternehmen bis zukünftig auch zu den KMUs. Das betrifft, sofern sie börsennotiert sind, auch Landschaftsbauunternehmen und größeren Planungs- und Ingenieurgesellschaften direkt oder natürlich indirekt durch die Reportingpflichten der großen Unternehmen und Finanzdienstleister.

Ein großer Unterschied zu den Umweltberichten sind in der neuen CSRD-Richtlinie7 die Forderung nach zu ermittelnden Treibhausgasemissionen in sogenannten Scopes (Bereiche – hier sinngemäß für Treibhausgasemissionen stehend8). Hier wurden in den Umweltberichten früher nur auf Scope 1 und 2 Emissionen geachtet. Also die direkten Emissionen aus eigenen Quellen emittiert oder auch extern bezogener Energie wie beispielsweise gekauften Strom.

Gemäß des neuen ESG-Standards wird richtigerweise ergänzend auch auf die Scope 3 Emissionen geachtet. Das können indirekte Emissionen sein, die nicht direkt zum wirtschaftlichen Handeln des Unternehmens gehören. Hier wäre die Herstellung oder auch Entsorgung der vom Unternehmen gekauften Waren und Rohstoffe zu nennen.

Ein "Greenwashing" durch positive Bilanzen der Scope 1 und 2 Emissionen aber bei gleichzeitig negativen Bilanzen der Scope 3 Emissionen wird zukünftig nicht mehr möglich sein. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Softwareanbieter zur Kalkulation der firmenbezogenen Treibhausgasemissionen. Auch in unserer Profession hat bereits der VGL Bayern vorausschauend auf die zukünftigen Entwicklungen ein Softwaretool9 für seine Mitglieder entwickelt, welches Garten- und Landschaftsbaubetrieben ermöglicht ihre Scope 1 bis 3 Emissionen zu ermitteln.

Seit 1960 haben sich grundsätzlich die CO2-Emissionen im Bauwesen von 9 auf 35 Millionen Tonnen weltweit mehr als verdreifacht. Auch wenn seit 2018 langsame Rückläufe zu verzeichnen sind, rechnen Prognosen dennoch mit einen weiteren Anstieg auf etwa 43 Millionen Tonnen bis zum Jahr 205010.

Weltweit insgesamt ist dabei der Bausektor für fast 40 Prozent CO2-Verbrauch¹¹ verantwortlich (insbesondere durch den Bau und den Betrieb von Gebäuden). Das sind im Hinblick der zunehmenden Klimaextreme keine ermutigen Zahlen aber die Wende wird hoffentlich durch die neue ESG-Gesetzgebung bald sichtbar sein.

Die oben genannten Regularien und Gesetze versuchen auf allen Ebenen einen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft herbeizuführen. Auch der deutsche Staat hat europäischen Vorgaben in nationales Recht dementsprechend geändert. Anfang 2021 wurde das Klimaschutzgesetz geändert. Im neuen Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird und bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent reduziert werden. Das Gesetz verpflichtet zukünftig die Emissionen noch stärker einzuschränken als bisher.

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Abb. 1: ESG-Kontext: Zusammenhänge EU Gesetzgebung, Beteiligte, Unternehmerische Ausrichtung, Bewertungssysteme im Bauwesen. Abbildungen: Hendrik Laue

Bewertungssysteme für die Nachhaltigkeit von Bauprojekten

Es ist sicherlich richtig, dass unter anderem die Bau- und Immobilienwirtschaft durch die ESG-Gesetzgebung der EU gedrängt wird, für mehr Transparenz hinsichtlich ihrer ökologischer, ökonomischer und sozialer Qualitäten zu sorgen. Das wird langfristig auch zu einem Wettbewerbsvorteil führen. Man definiert seine Qualitäten und optimiert die Nachhaltigkeitsperformance.

Nicht nur für die Kontrolle der THGs (Treibhausgasemissionen), sondern insbesondere für die gesamtheitliche Forderung der ESG-Vorgaben können dabei existierende Bewertungssysteme mit ihren Labeln Sicherheit bieten. Sie bieten seit ihrer Existenz ein Qualitätsstandard für nachhaltiges Bauen. Das hat aber in ihrer Geschichte und bezogen auf ihr Ziel nicht direkt etwas mit der neuen ESG-Gesetzgebung zu tun. Aber diese Gesetzgebung fußt auf den gleichen Säulen nämlich auf ESG = Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, wie unter anderem die Qualitätssäulen mit ihren Kriterien der deutschen Bewertungssysteme mit Ökologie, Ökonomie und Soziales definieren.

In Deutschland sind für den Hochbau und für ganze Quartiersentwicklungen sowohl die länger existierenden internationalen Bewertungslabel BREEAM und LEED¹² möglich zu nutzen als auch die deutschen Systeme BNB¹³, NaWoh14 oder das der DGNB15-Siegel.

Für den Freiraum existiert derzeit nur eingeschränkt das BNB_AA-Label für Freianlagen des Bundes mit Gebäudebezug. Sinngemäß definieren die Bewertungssysteme i. d. R. weit mehr Standards als in der nun neuen ESG-Gesetzgebung verordnet. Die Bewertungssysteme liefern einen ganzheitlichen Qualitätsstandard, den es nun zu nutzen gilt. Eine Verifizierung der Bewertungssysteme und der konkreten ESG-Forderungen steht aber noch aus.

Nur die DGNB in Deutschland bietet bereits ESG-Verifizierungen an. Hier bleibt abzuwarten inwieweit die anderen Bewertungssysteme auf die ESG-Gesetzgebung reagieren. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass vermutlich alle Bewertungssysteme mit ihren Qualitätsstandards in ihrer Bedeutung zunehmen werden.

Es stellt sich natürlich die Frage ob dann nur "abgespeckte" Zertifizierungen in Bezug auf die ESG-Gesetzgebung zunehmen werden oder die Standards als Ganzes. Derzeit ist nur das BNB-System verpflichtend für Bundesbauten. Hier haben ergänzend auch Städte oder Länder in Teilen bereits eine verpflichtende Anwendung des BNB-Systems übernommen.16

Es ist zu vermuten, dass alle Zertifizierungsstandards mehr und mehr zur Pflicht werden. Entweder bei den öffentlichen Aufträgen durch Vorschriften zur direkten Pflicht oder durch ESG-Nachweise indirekt bedingt unter anderem durch die Reportingpflicht der Finanz- und Immobilienwirtschaft. Hier wäre es zweitgenannt natürlich wichtig, eine Verifizierung aus den Bewertungslabels hinaus anzubieten.

Das Bewertungssystem nachhaltiges Bauen (BNB) wurde für Bundesgebäude eingeführt. Hier gab es ergänzend 2016 auch einen Aufsatz für Außenanlagen (BNB_AA). Also eigene für Außenanlagen definierte Kriterien mit ihren Bewertungsmaßstäben.

Das BNB-System bietet grundsätzlich einen ganzheitlichen Blick mit seinen Hauptqualitäten Ökologie, Ökonomie und Soziales und ergänzend mit Technik, Prozess und Standort erweiterte Querschnittsqualitäten. Bezogen auf die neuen ESG-Anforderungen lassen sich eine Vielzahl an Standards ableiten, sind aber damals nicht dafür gedacht worden. Unter anderem sind beispielsweise THG-Analysen gefordert aber nicht direkt mit den Scopes 1 bis 3 verknüpft.

Die DGNB bietet als privatwirtschaftliche Nichtregierungsorganisation sehr umfassende Lösungen für unterschiedliche Typologien und Prozessstufen gebauter Umwelt an. Sie vergibt Gütesiegel in den Stufen Platin, Gold, Silber und Bronze. Die DGNB stützt ähnlich dem BNB-System ihre Kriterien auf die gleichen Kernqualitäten Ökologie (ENV), Ökonomie (ECO), Sozio-Kultur (SOC) und Querschnittsqualitäten Technik (TEC) und Prozess (PRO). Gemäß Statistika Umfrage von 202117 hat die DGNB einen Marktanteil von 62 Prozent.

Die internationale Zertifizierung LEED fokussiert insbesondere nur Gebäude mit dem Schwerpunkt Umweltauswirkungen. Sie kommen gemäß der oben genannten Umfrage 2021 auf 17,2 Prozent Marktanteil in Deutschland. BREEAM ist das älteste Zertifizierungssystem für Gebäude und betrachtet den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden anhand von neun Kategorien.

BREEAM kommt 2021 auf 20,6 Prozent Marktanteil in Deutschland. Im Weiteren existieren noch das Siegel NaWoh vom Verein zur Förderung der Nachhaltigkeit im Wohnungsbau e. V. entwickelt. Es ist ähnlich dem BNB-System, ist aber kürzer und spezifisch für Wohn- und Mehrfamilienhäuser ausgerichtet.

Das Qualitätssiegel QNG ist kein eigenes Zertifikat und zielt auf nachhaltige Gebäude ab. Hier sind vielmehr nur Kriterien festgelegt, die sich dann wiederum aus Zertifikaten der DGNB oder NaWoh ableiten lassen18.

Für den Freiraum und Projekte unserer Profession ist in Deutschland derzeit das BNB_AA das einzig nutzbare Instrument zur Nachhaltigkeitsbewertung.19 Da aber das BNB_AA System ursprünglich nur für Freianlagen klassischer Bundebauten mit Gebäudebezug entwickelt wurde (z. B. Kasernenumbauten etc.), lassen sich die Kriterien nur "sinngemäß" auf beispielsweise klassische urbane Grünanlagen anwenden.

Um diese Lücke zu füllen, ist von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) aus Bonn zunächst der "Leitfaden Nachhaltige Freianlagen20" erarbeitet und 2018 veröffentlicht worden. Für 2024 ist daneben ein eigenes Bewertungssystem für Freianlagen geplant. Dieses geplante System basiert wie die anderen Systeme auf den BNB Prinzipien, bietet aber ein eigens Label für alle Freianlagentypologien.

Zum August 2023 konnte dazu das DBU²¹ geförderte Forschungsprojekt "BNF – Bewertungssystem nachhaltige Freianlagen" von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe mit verschiedenen Partnern²² fertiggestellt werden.

Abb. 2: Übersicht Bewertungssysteme nachhaltiges Bauen, Projektanwendungen, Zusammenhänge. Abbildung: Hendrik Laue

Das Bewertungssystem nachhaltige Freianlagen (BNF)

Das Forschungsprojekt hatte den oben genannten Leitfaden von 2018 als Basis und hat seine Besonderheiten in der Nähe zum BNB_AA-System und in seiner ausgiebig getesteten Praxistauglichkeit. Nach Fertigstellung der ersten Version aller bewertbaren Kriteriensätze im September 2022 wurde das System ausgiebig durch Planungsbüros in seiner Anwendung getestet und anschließend verbessert.

Die Projektpartner Stadt Leipzig, Deutsche Bundesgartenschaugesellschaft (dbg), Stadt Nürnberg und Stadt Schweinfurt stellten unterschiedliche Projekte in unterschiedlichen Prozessphasen dankenswerterweise zur Verfügung. In der Praxistestphase wurde die Bewertung an sich, die Bewertung unterschiedlicher Typologien als auch die Bewertung bei unterschiedlichen Ausgangslagen umfassend untersucht und weiter verbessert.

Das Bewertungssystem nachhaltige Freianlagen (BNF) ist zum August 2023 als Forschungsprojekt abgeschlossen. Der fertige und übersichtliche Kriteriensatz mit 37 Kriterien baut auf die Erkenntnisse und die Gliederung des BNB Systems auf. Die Nähe ergibt sich aus der Logik des bereits eingeführten Bewertungssystems BNB_AA für Freianlagen und aus der Vorarbeit des veröffentlichen Leitfaden Nachhaltige Freianlagen von der FLL.

Der neue Kriteriensatz beantwortet wie oben genannt gegenüber dem BNB-System für unterschiedliche Freianlagentypologien umfassend die Nachhaltigkeitsaspekte.

Hier ergibt sich ein eindeutiger Vorteil für ein allgemeingültiges System unterschiedlicher Projektszenarien, die auch in unterschiedlichen Prozessstufen Antworten liefern können. In diesem Zusammenhang ist auch eine Vorbewertungs- und Zielmatrix erarbeitet worden.

Beide Instrumente helfen zum einen, bereits im Vorentwurfstadium, und gegebenenfalls für unterschiedliche Varianten, einfache Aussagen zur Nachhaltigkeitsperformance zu generieren, und zum anderen bei noch nicht feststehenden Aussagen zu möglichen Qualitäten in späteren Leistungsphasen über eine Zielvereinbarungsmatrix diese verbindlich festzulegen.

Zudem kann eine Zielvereinbarungsmatrix auch mögliche angestrebte Verbesserungen deutlich machen und eventuell notwenige besondere Leistungen²³ gegenüber dem Bauherren transparent aufzuzeigen. Das neue Bewertungssystem BNF ist mit seinem 37 Kriterien gegenüber dem BNB_AA System mit 27 Kriterien zwar formal umfangreicher aber mit insgesamt weniger Teilkriterien faktisch einfacher umzusetzen.

Gegenüber dem BNB System sind 24 ökologische Qualitäten mit mehr quantitativen Vorgaben ergänzt (u. a. Abfrage Grünflächenfaktor), die ökonomischen Qualitäten sind deutlich umfangreicher, sozio-kulturelle Qualitäten besser allgemeingültig zusammengestellt und die technischen und prozessbezogenen Qualitäten ebenfalls ganzheitlicher aufgestellt.

Insgesamt kann das BNF-System bezogen auf das Ziel eines allgemeingültigen Bewertungssystems für Freianlagen als Weiterentwicklung gesehen werden. Durch die Praxistestphase sind anwendungsbezogene Probleme im Planungsalltag analysiert und verbessert worden. Die Nähe zum BNB-System bietet eine Vertrautheit im Umgang mit den Kriterien und verhindert ein mögliches Konkurrenzsystem. Es bleibt abzuwarten, wie nun weitere Voraussetzungen zur Nutzung des Systems gegebenenfalls mit der FLL/FLS in Bonn sich entwickeln.

Abb. 3: Übersicht zum Bewertungssystem Nachhaltige Freianlagen (BNF), Ergebnis des DBU geförderten Forschungsprojekts 2021–2023, September 2023. Abbildung: Hendrik Laue
Abb. 4: Übersicht zum Bewertungssystem Nachhaltige Freianlagen (BNF), Ergebnis des DBU geförderten Forschungsprojekts 2021–2023, September 2023. Abbildung: Hendrik Laue

Das neue ESG Denken für Projekte und Unternehmensführung in der Profession

Der Begriff und auch die Terminologie ESG ist gekommen um zu bleiben. Soviel steht fest. Für zukunftsausgerichtetes Unternehmertum lohnt es sich, die Grundsätze dauerhaft zu verankern. Dabei sind zwei Schwerpunkte für unsere Profession zusammengefasst herauszustellen: Zum einen wird die umfangreiche Reportingpflicht über die Instrumente der EU eine komplett veränderte Ausrichtung des unternehmerischen Handelns auf allen Ebenen hervorrufen.

Insbesondere durch die EU Taxonomie und ihren technischen Bewertungskriterien werden transparente und eindeutige Kriterien festgelegt. Künftig wird alles daran gemessen werden. Die sechs Ziele Klimaschutz, Klimaanpassung, Wasserschutz, Kreislaufwirtschaft, keine Umweltverschmutzung und Biodiversität sind eindeutig verankert. Derzeit steht aber der Klimaschutz mit dem Schwerpunkt Verringerung der Treibhausgasemissionen und die Klimaanpassung mit geförderten resilienten Bauweisen im Vordergrund. Hier darf man aber nicht die anderen Umweltziele vergessen.

Eine resiliente gebaute Umwelt ist nur bei gleichzeitiger Integration der anderen Umweltziele zu gewährleisten. Dafür hat die EU die DNSH Regel ("do not significant harm") dem Prinzip hinzugefügt. Zum anderen werden sich somit auch Projektentwicklungen an diesen neuen Vorgaben messen müssen.

Hier werden Projektentwicklungen ohne eine umfangreiche ESG Analyse nicht mehr dauerhaft Bestand auf dem Markt haben. In diesem Zusammenhang können Bewertungssysteme mit ihren Qualitätsvorgaben zum nachhaltigen Bauen helfen, wichtige Standards durchzusetzen. Das beschriebene BNF System soll hier die Lücke schließen und für alle Freianlagentypologien Qualitätsstandards bieten.

Bei allen sicherlich richtigen ESG-Schwerpunktsetzungen dürfen aber nicht die Grundsätze klassischer Nachhaltigkeitsstrategien vergessen werden. Hier werden drei Strategieansätze als der Weg zu einer nachhaltigen Umwelt und Gesellschaft beschrieben: Erstens die Suffizienzstrategie. Mit einem Wort als Weniger zu beschreiben. Wieviel ist genug im Sinne eines global verträglichen Footprints? Auch als Verzichtsstrategie bezeichnet, also weniger Bauen, weniger Versiegeln und mehr Raum für natürliche Prozesse. Für diesen Strategieansatz fehlt derzeit in Gesellschaft und Wirtschaft nach wie vor die Akzeptanz. Zweitens die Effizienzstrategie.

Mit einem Wort als Besser zu beschreiben. Hier geht es um eine Steigerung der allgemeinen Stoff- und Energieeffizienz und um die Ressourcenproduktivitätsstrategie. Bessere Materialien, durchdachtere Techniken und effizientere Konzepte. Das wird im vorherrschenden Wirtschaftssystems im Sinne von kostensparend unterstützt. Und Drittens die Konsistenzstrategie. Mit einem Wort als Anders zu beschreiben.

Hier geht es um die Vereinbarkeit, Verträglichkeit oder um die umweltverträgliche Beschaffenheit von Stoff- und Energieströmen. Also zum Beispiel kein Eintrag nicht verträglicher Stoffe im ökologischen System (z. B. Kunststoffe) oder konsistenterer Pflanzungen und Bauweisen im Sinne dauerhaft verträglich. Im Weiteren sollten natürlich diese Strategien auch in vielerlei Hinsicht kombiniert werden.

Es geht also nicht nur um den Verzicht und um die Grenzsetzungen im Sinne der Belastbarkeit von natürlichen Systemen (z. B. CO2 Reduktionsziele), sondern auch um optimierte Verbesserungen im Sinne der Verbräuche und Belastungen sowie um sinnvollere Verknüpfungen anthropogener und natürlicher Stoffströme.

Hier bieten die Landschaftsarchitektur und der Landschaftsbau mit der Schnittstelle zwischen gebauter und natürlicher Umwelt einen besonderen Verantwortungsbereich.

1 ESG: Environment (Umwelt), Social (Soziales & Gesellschaft) und Governance (Unternehmensführung). In der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ von der UN (2015) sind ESG-Ziele festgeschrieben. Hier werden Unternehmen verpflichtet, ihre Strategien mit Nachhaltigkeitsleitkonzepten zu verknüpfen.

2 Vgl. EU Pressemitteilung vom 14. Januar 2020, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_17

3 Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung, vgl. https://www.csr-in-deutschland.de/DE/CSR-Allgemein/CSR-Politik/CSR-in-der-EU/Corporate-Sustainability-Reporting-Directive/corporate-sustainability-reporting-directive.html

4 Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR): Offenlegungsverordnung der EU. Sie zielt auf nachhaltiges Investieren ab indem sie von Finanzmarktteilnehmern verlangt offen zu legen, inwieweit sie ESG-Aspekte in ihre Investment-Entscheidungen einbeziehen.

5 Im Prozess, veröffentlicht wurde bis jetzt im sogenannten „Climate Delegated Act“ zu den ersten zwei Umweltzielen die Aktivitäten und die technischen Bewertungskriterien, vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32021R2139

6 Das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential – GWP) ist der mögliche Beitrag eines Stoffes oder eines Materials zum Treibhauseffekt. Hier wird als Äquivalent CO2 ermittelt.

7 Und gemäß des einheitlichen europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards, die sogenannten European Sustainability Reporting Standards (ESRS).

8 Die definierten Begrifflichkeiten sind aus dem Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), ein wichtiger internationaler Standard zur Berechnung von THGs (Treibhausgasemissionen).

9 Vgl. z. B. Pressemitteilung „VGL Bayern erstellt Leitfaden zur Berechnung des Corporate Carbon Footprints in GaLaBau-Betrieben“, https://www.galabau-bayern.de/vgl-bayern-erstellt-leitfaden-zur-berechnung-des-corporate-carbon-footprints-in-galabau-betrieben .

10 Vgl. Angaben Statista 2022, CO2-Emissionen weltweit in den Jahren 1960 bis 2020, Online Ressource, https://de.statista.com

11 Vgl. Executive summary of 2020 - Global Status Report for buildings and construction, United Nations Environment Programme.

12 BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assesment), für gebäude und Quartiere, seit 1990, aus Großbritannien wird in Deutschland ebenso wie LEED (Leadership in Energy and Environmental Design, aus den USA) in Deutschland durch den TÜV Süd ausgegeben.

13 BNB (Bewertungssystem nachhaltiges Bauen) vom Bund: Bundesbauministerium, begleitet durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR),Verbindliche Anwendung bei Bundesbauten für unterschiedliche Gebäudetypologien und BNB_AA für Aussenanlagen, vgl. https://www.bnb-nachhaltigesbauen.de/

14 NaWoh (Qualitätssiegel Nachhaltiger Wohnungsbau), vgl. https://www.nawoh.de/

15 DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen), Nachhaltiges Planen, Bauen und Nutzen von Bauwerken, umfassendes System für unterschiedliche Typologien und Prozessphasen, keine Anwendungspflicht, bietet ESG Verifizierungen an, vgl. https://www.dgnb.de/de

16 Zum Beispiel BNB Anwendungspflicht in Berlin vgl. VwVBU, in Baden-Württemberg seit 2017, Hamburg mit BNB Verankerung im Klimaschutzgesetz, Nordrhein-Westfalen seit 2022, etc.

17 Marktanteile der Green-Building-Zertifizierungssysteme in Deutschland in den Jahren 2017 bis 2021, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/452469/umfrage/marktanteile-der-green-building-zertifizierungssysteme-in-deutschland/

18 Vgl. Informationen Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG), https://www.qng.info/

19 Wenn man mal das Instrument zur Bewertung von Sportfreianlagen außer Acht lässt. Bewertungssystem nachhaltige Sportfreianlagen vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften, www.bisp.de

20 Leitfaden Nachhaltige Freianlagen, FLL, Bonn, 2018, AK Leitung Prof. Dr. Hendrik Laue.

21 DBU- Deutsche Bundestiftung Umwelt.

22 Technische Hochschule Ostwestfalen – Lippe (TH OWL), Prof. Dr. Hendrik Laue und M.Sc. Tobias Wienert zusammen mit dem Arbeitskreis Nachhaltige Freianlagen bei der FLL, den Planungsbüros RMP Stephan Lenzen (Philipp Haggeney), LA BAR (Eike Richter), Planorama (Katja Erke) und den Projektpartnern Stadt Leipzig, Stadt Nürnberg, Stadt Schweinfurt sowie mit der Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft (Antje Aubram).

23 Gemäß HOAI Grundleistungen und besondere Leistungen: Zum Beispiel eine Klimasimulation oder eine CO2 Bilanzierung des Projektes. Unabhängig von der Sinnhaftigkeit für das Projekt würden diese ggf. auch wichtige ESG Abfragen im Rahmen von Nachhaltigkeitsreports des möglichen Investmentträgers unterstützen.

24 Wie bereits im Leitfaden Nachhaltige Freianlagen von 2018 als Grundlage erarbeitet.

Prof. Dr.-Ing. Hendrik Laue
Autor

Hochschule Ostwestfalen-Lippe

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